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BLOGPOST: Konflikte durch Geschichten lösen

BLOGPOST: Konflikte durch Geschichten lösen
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Gute Geschichten berühren uns. Wir lernen, begreifen und erinnern vor allem durch Geschichten. Das macht sich nicht nur die PR zu Nutzen. Auch die Konfliktberatung setzt Storytelling ein, um bei den Menschen echte Verhaltensänderungen herbeizuführen. Die Mediatorin Hanna Milling erzählt, wie das funktioniert.

Von Hanna Milling

"Ich erzähle in meiner Arbeit als Coach, Trainerin und Mediatorin viele Geschichten - und erlebe ein ums andere Mal mit Staunen, dass das Gespräch danach an Gehalt und Wahrhaftigkeit gewinnt. Dass dann darüber gesprochen wird, worum es wirklich geht und tiefe Einsichten und wirkliche Veränderungen möglich werden.

Voraussetzung dafür, dass Geschichten diese Wirkung entfalten können, ist, dass sie den Zuhörer berühren und unter die Haut gehen. Ob das gelingt, hängt wiederum vom Erzähler ab. Denn nur wenn dieser sich selbst von der Geschichte berühren lässt, nur wenn dieser selbst ganz in die Bildwelt der Geschichte eintaucht, wird er sie so erzählen, dass die Zuhörer das Erzählte wirklich in ihrem Inneren erleben und dann - unwillkürlich - Bezüge zu ihrem eigenen Leben, zu ihrem eigenen Problem, herstellen. Auf wundersame Weise wirken Geschichten, wenn sie einmal den Weg zum Herzen der Hörer gefunden haben, noch lange nach, ihre Bildsprache prägt sich ein und erinnert uns beharrlich daran, die Erkenntnisse dann auch wirklich in Taten umzusetzen.

Manchmal helfen Geschichten auch dabei, überhaupt den Mut zu finden, schwierige Themen und Konflikte anzugehen. Kennen Sie die Geschichte vom Scheinriesen Turtur? Eines der Abenteuer von Jim Knopf und Lukas, dem Lokomotivführer. Die beiden gehen in einer riesigen Wüste verloren, sind durstig und verzweifelt. Und als wäre das nicht genug, taucht am Horizont plötzlich ein unfassbar großer Riese auf. Jim will wegrennen, sich verstecken, gar nicht hinblicken. Doch Lukas schaut genauer hin und überzeugt ihn, sich das Ganze etwas näher anzusehen. Zitternd gehen die beiden auf den Riesen zu.

Und siehe da: Er wird immer kleiner und ist schließlich sogar etwas kleiner als Lukas. Er ist überglücklich, dass endlich jemand auf ihn zugegangen ist, denn er ist ein Scheinriese, das heißt, umso weiter er weg ist, umso weniger man ihm nahe kommen will, desto größer und bedrohlicher wird er! Eine Größe, die gar nicht so bedrohlich ist, bekommt er erst, wenn man auf ihn zugeht und ihn sich genauer ansieht. In unserer Geschichte führt er die beiden zu einer Oase und kommt schließlich sogar mit den beiden mit in ihre Heimat - nach Lummerland, eine kleine Insel, an der bisher immer Schiffe zerschellten, da sie keinen Leuchtturm hatte.

Der Scheinriese Turtur wird so - mit einem Licht in der Hand - zu einem lebendigen Leuchtturm, der anzeigt, wann es Sinn macht, den Kurs zu wechseln. Diese Geschichte hat in meiner Berater-Tätigkeit schon oft dazu geführt, dass unter den Teppich gekehrte Leichen und Konflikte endlich angegangen - und nachhaltig gelöst wurden.

Konfliktberatung bei der Unternehmensnachfolge

Am Tisch sitzt ein Ehepaar, das gemeinsam ein Familienunternehmen führt. Es geht um Fragen der Unternehmensnachfolge, denn der baldige Ruhestand steht an. Die Situation ist festgefahren. In vielen Jahren angestaute Wut ist greifbar zu spüren, macht sich aber bisher nur in gegenseitigen Vorwürfen und Angriffen Luft. "Genau so, wie du dich jetzt mit der Übergabe verhältst, war es auch bei der Erziehung unserer Kinder! Ich habe immer alle Arbeit gemacht, und wenn es um wichtige Entscheidungen ging, hatte ich nichts mehr zu sagen!" - "Ich habe dir den Raum gegeben, dich entspannt um die Kinder kümmern zu können und dir den Rücken von diesen belastenden Entscheidungen freigehalten! Wie gerne hätte ich auch mal so viel Zeit mit unseren Kindern verbracht!" - "Wie bitte? Du mir den Rücken freigehalten? Ich habe dir den Rücken freigehalten, damit du dich in unserer Firma austoben kannst!" - "Austoben? Mit Kusshand hätte ich mehr Unterstützung von dir in der Firma entgegen genommen!"

Ich fühle mich als Mediatorin hilflos, da alles Spiegeln und Fragen diese unfruchtbare Dynamik nicht zu durchbrechen vermag. Da steigt plötzlich eine Geschichte aus meinem Gedächtnis auf, die ich einst bei Ed Watzke* gelesen hatte: "Das mag Ihnen jetzt vielleicht etwas komisch erscheinen, aber mir ist gerade eine Geschichte in den Sinn gekommen. Ich würde sie Ihnen gerne erzählen, darf ich?" - Ich hole mir die etwas erstaunte Zustimmung der beiden ab und beginne:

Ein Hund und eine Eselin verlieben sich unsterblich ineinander und feiern schließlich im Kreise ihrer Freunde ihre Hochzeit. Alle geladenen Tiere nehmen Teil an dem berauschenden Fest und sind sich einig, kaum je ein schöneres, glücklicheres Brautpaar erlebt zu haben. Das Fest ist vorüber, das strahlende Paar bezieht frohen Mutes seine Hütte, um fortan zusammen zu leben. Die Jahreszeiten ziehen ins Land und ein Jahr darauf kommt der Dachs - ehemals Hochzeitsgast - in die Gegend der beiden, erinnert sich der glücklichen Hochzeit und beschließt, Hund und Eselin einen Besuch abzustatten. Er kommt zu deren Hütte, betritt diese und ist angesichts der beiden tief erschrocken. Sie geben ein Bild des Jammers ab. Total geschwächt und bis auf die Knochen abgemagert, kauern sie auf dem Boden, ringen um Atem, siechen dahin. Der Dachs wendet sich zutiefst besorgt an den Hund und flüstert ihm ins Ohr: "Was ist nur Deiner ehemals blühenden Braut widerfahren, dass ich sie in diesem Zustand sehen muss?" - "Ich habe keine Ahnung, ich bin völlig verzweifelt. Sie wird weniger und weniger, obwohl ich ihr immer die besten Knochen und das beste Fleisch überlasse." Der Dachs stellt daraufhin der Eselin die Frage, was mit dem Hund geschehen sei. Darauf die Eselin: "Es ist ganz schrecklich, mein Gemahl wird immer schwächer und kränker, obwohl ich ihm immer das duftigste Heu und die feinsten Disteln überlasse.

Als ich die Geschichte beendet habe, blicke ich in zwei nachdenkliche aber deutlich entspannter wirkende Gesichter. Schweigen. Ich schlage eine kurze Pause vor und biete einen Tee an. Kaum sitzen wir wieder beginnt der Mann: "Das mit der Geschichte...da ist etwas dran. Manchmal wird man sich erst zu spät bewusst, was man sich eigentlich gewünscht hätte, oder man wusste es und hat es nicht kommuniziert. Vielleicht habe ich das nie zum Ausdruck gebracht, dass ich mir eine ausgeglichenere Rollenverteilung in Firma und Familie gewünscht hätte. Und ich dachte ich tue alles, um es meiner Frau leichter zu machen. Nun erfahre ich, dass ich ihr etwas ermöglicht habe, was ich mir selbst an ihrer Stelle gewünscht hätte, was sie sich aber gar nicht wünschte. Das macht mich sehr traurig.

Die Mediation nimmt an dieser Stelle eine entscheidende Wendung. Es entsteht ein ehrlicher Austausch darüber, was jeder gebraucht hätte. Rechtfertigungen und Angriffe bleiben aus. Es fließen Tränen. Am Ende kann konstruktiv in die Zukunft geblickt werden, mit der klaren Entscheidung, sie nun nach den kommunizierten Bedürfnissen beider zu gestalten. So konnte an dieser Stelle eine Geschichte das bewirken, was alles Spiegeln und alle klugen Fragen nicht vermochten."

*Die Geschichte ist frei wiedergegeben nach Ed Watzke.

Der Beitrag erschien ursprünglich in gekürzter Version im Whitepaper von news aktuell "Storytelling - Wie Unternehmen heute erfolgreich Geschichten erzählen".

Whitepaper kostenlos herunterladen unter: https://www.newsaktuell.de/storytelling

Dieser Beitrag ist ein Original-Blogpost aus TREIBSTOFF:

http://treibstoff.newsaktuell.de/storytelling-konfliktberatung

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