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Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zur Digitalisierung als Wahlkampfthema, Autor: Sebastian Heinrich

Regensburg (ots)

Einmal erwähnt Angela Merkel das Thema doch noch, ganz am Schluss. "Durch den digitalen Fortschritt wird sich vieles verändern", sagt die Kanzlerin am 3. September, am Ende des TV-Duells mit ihrem Herausforderer Martin Schulz. In den anderthalb Stunden zuvor ist das Thema in dem Duell, das 16 Millionen Bürgern bei ihrer Wahlentscheidung helfen sollte, kein einziges Mal zur Sprache gekommen. Fast eine Stunde Debatte über Flüchtlinge und Migration, null Minuten zur Digitalisierung: Das ist schmerzhaft symbolisch für den ganzen Wahlkampf. Wenn Angela Merkel sagt, dass sich durch den digitalen Umbruch vieles verändern wird, dann untertreibt sie gigantisch. Die Digitalisierung ist das wichtigste Thema für die Zukunft. Und regiert das nächste Bundeskabinett so sehr an dem Thema vorbei wie die aktuelle, dann hat Deutschland bald ein gewaltiges Problem. Es gäbe so viel zu tun. Die digitale Infrastruktur in Deutschland ist teilweise katastrophal. Wer mit dem Zug von Regensburg nach München fährt, der tut das auch im Jahr 2017 weitgehend ohne Zugang zum mobilen Netz, selbst Telefonieren ist nur sekundenweise möglich. In Ostbayern gibt es nach wie vor Gemeinden, deren Bewohner mit einer Downloadgeschwindigkeit von unter 16 Megabit pro Sekunde ins Netz kommen. Das ist digitales Schneckentempo. Für Privatpersonen bedeutet das eine gravierende Einschränkung im Alltag, für viele Unternehmen ist es existenzbedrohend. Beschämend für Deutschland ist der Vergleich mit anderen Ländern: Stand 2016 liegt Deutschland beim Anteil von Haushalten mit Glasfaserkabel-Internetzugang im Vergleich zu 27 anderen europäischen Ländern auf dem vorletzten Platz - weit hinter wirtschaftlich deutlich schwächeren Ländern wie Rumänien, Bulgarien oder Portugal. In Estland hat jeder Bürger ein Grundrecht auf einen Internetzugang, nahezu jeder Behördengang kann online erledigt und per digitaler Unterschrift besiegelt werden. In Regensburg kann man nicht einmal eine Meldebescheinigung online beantragen. Der digitale Rückstand Deutschlands ist schon heute ein Wettbewerbsnachteil - und er wird immer größer, wenn die nächste Bundesregierung nicht handelt. Das Internet ist ja keine virtuelle Parallelwelt. Das Internet gehört im Deutschland des Jahres 2017 zum täglichen Leben, so wie Elektrizität und Wasserversorgung. Doch während Strom und Wasser selbstverständlich aus unseren Leitungen strömen, stockt der Datenverkehr an vielen Orten. Keine der großen Herausforderungen unserer Zeit ist lösbar, ohne die Digitalisierung und ihre Folgen mitzudenken. Zwei Beispiele: Die wachsende soziale Ungerechtigkeit können die EU-Mitgliedsländer nur adäquat bekämpfen, wenn ihre Regierungen die großen Digitalkonzerne wie Google, Amazon, Apple und Facebook dazu bringen, auch auf ihre in Europa erzielten Gewinne angemessene Steuersätze zu bezahlen. Die Arbeitslosigkeit in Deutschland wird nur dann niedrig bleiben können, wenn die Politik die Wirtschaft in den kommenden Jahren dabei unterstützt, den digitalen Wandel zu bestehen - mit einer guten digitalen Infrastruktur, mit einer zeitgemäßen Bildung an den Schulen, mit einem Einwanderungsgesetz, das Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern keine Steine in den Weg legt. In diesem Wahlkampf werden immer wieder die alten, analogen Fragen gestellt: Wie vermeidet der Staat neue Schulden? Wie retten wir lange genug das Diesel-Auto? Angst vor der Zukunft und vor Veränderung schwingt in solchen Fragen mit, die Sorge um den Status Quo - und keine Lust auf die digitale Zukunft. Wie schafft der Staat es, genug Geld zu investieren, damit endlich jeder Bürger einen vernünftigen Internetzugang bekommt? Wie machen wir das Land fit für die Wende zur elektrischen, digital vernetzten Mobilität? Das wären die digitalen Versionen der beiden Fragen. Wenn die nächste Bundesregierung sie nicht beantwortet, gefährdet sie den Wohlstand Deutschlands.

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Telefon: +49 941 / 207 6023
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