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Mittelbayerische Zeitung: "Merkels Date mit der Geschichte"
Ein Kommentar der Mittelbayerischen Zeitung zum Erfolg der Rechten in Deutschland

Regensburg (ots)

Keine Frage, Angela Merkel hat viele historische Momente erlebt in ihrer Zeit, von der Wende über die Euro-Finanzkrise bis hin zur Flüchtlingssituation des Sommers von 2015 mit all ihren Folgen. Viele dieser Momente hat sie mit geprägt oder deren Kurs bestimmt. Es steht ihr aber noch ein Date mit der Geschichte ins Haus, und das ist der kommende Sonntag. Wo die Kanzlerin derzeit spricht, wird gepfiffen, wird gebuht, fliegen Tomaten. Das ist nichts Neues im Leben einer Politikerin, aber im Fall Merkel ist es deswegen etwas Besonderes, weil es nicht zum Stimmungsbild vor der Wahl passen will, zumindest nicht in das, das uns per Umfragen präsentiert wird. Dort ist die Union die mit Abstand stärkste Partei und es müsste schon mit einem totalen Versagen der Demoskopen einhergehen, wenn heute in einer Woche nicht feststeht, dass eine neue Bundesregierung wieder unter Leitung von Angela Merkel zustande kommen wird. Merkel steht für die Sicherung des Status Quo in die Zukunft, sie steht für Verlässlichkeit, Sicherheit, Stabilität. Zumindest scheint das so zu sein, denn sonst würden nicht so viele Menschen angeben, sie wiederwählen zu wollen. Aber dann sind da eben doch die Pfiffe, wie sie auch am Montag in Regensburg beim Auftritt der Kanzlerin unüberhörbar waren, und die Plakate gegen ihre Politik, die in der Masse der Menschen vor dem Dom unübersehbar waren. Es ist richtig, dass man die Gegner nicht überhöhen sollte, dass es normal und auch gut ist, wenn es Widerspruch gibt, andere Auffassungen, Protest, auch lautstarken. Das muss auch eine Angela Merkel hinnehmen, und das tut sie auch. Wir waren das nur lange nicht gewohnt. Das ist die eine Seite. Die andere ist, dass dieser Protest auch inszeniert ist. Politiker und Anhänger der AfD machen keinen Hehl daraus, dass sie die Aktionen gegen Merkel steuern. Aber auch das ist legitim, weil andere Parteien so etwas in friedlicher Form auch im Repertoire haben. Neu ist etwas anderes: dass dieser Widerspruch, dieser Protest und auch die Aggression in Wählerstimmen gemünzt wird. Und zwar in die der AfD, also jener Partei, in deren Reihen knallharte Rechtsextreme sitzen (wobei man sich fragt, ob es moderate Kräfte in der Partei überhaupt gibt; einen Aufschrei aus der AfD nach Entgleisungen von Höcke, Gauland und Co. bleibt stets aus). Wenn eines Tages die Merkel-Dämmerung einsetzt und der Erfolg der CDU-Vorsitzenden endet, was bleibt dann? Wird es die Erinnerung daran sein, wie sie ihre Partei nach der Spendenaffäre neu gestartet hat? Wie sie die Männer an der Spitze der CDU reihenweise entsorgt hat? Wie sie zur Alternativlosen wurde? Werden es die Bilder sein, wie sie die Sparer erfolgreich davon abgehalten hat, zum Höhepunkt der Euro-Finanzkrise ihre Konten zu plündern? Oder die Wahlplakate mit der merkelschen Hand-Raute? Sicher wird man sich an ihr "Wir schaffen das"-Credo im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise erinnern. Aber heute, vor der Wahl, wird deutlich, dass noch etwas anderes bleiben wird: Sie ist die Kanzlerin, unter der Rechtsextreme wieder in den Bundestag einziehen werden. Dass dem so ist, ist Folge all der Dinge, die mit Merkel verbunden sind. In den Merkel-Jahren hat sich ein Teil des Landes, der vielleicht schon lange abgehängt wurde, zu Wort gemeldet. Weil er sich nicht mehr zuhause fühlt in dieser Gesellschaft, in dieser Politik, in dieser Welt. Merkels Union hat es trotz der Schützenhilfe einer zumindest verbal weit nach rechtsaußen ausscherenden CSU nicht geschafft, den rechten Rand abzudecken. Alle anderen Parteien, die dem Merkel-Erfolg folgend die Mitte gesucht und besetzt haben, haben die Gravitation nach rechts beschleunigt. Heute ist fast alles Mitte - und viel zu viel rechts. Das alles Merkel in die Schuhe zu schieben, ist falsch. Aber in einer Woche, falls sie wieder am Ruder steht, muss sie das ändern. Sonst hat ihr Date mit der Geschichte fatale Folgen, und das nicht nur für sie.

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