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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zum Terror in London

Regensburg (ots)

Das Tatschema ist allzu bekannt: Ein Auto wird zur Waffe umfunktioniert, um Passanten zu rammen und zu töten. Mit Messern wird die Attacke fortgesetzt, auch hier das Ziel, möglichst viele Zivilisten zu ermorden. Am Samstagabend vor Pfingsten richteten drei Männer ein Blutbad auf der London Bridge an, in dem sieben Menschen umkamen und 48 Personen verletzt wurden. Der Terror hat wieder einmal in London zugeschlagen. Doch so erschreckend der Anschlag für das Land ist, so wenig will sich eine Demokratie davon erschüttern lassen: Die Wahlen am kommenden Donnerstag, gab Premierministerin Theresa May bekannt, werden nicht verschoben. Der Wahlkampf ging am Montag weiter. In ihrer Ansprache nach der Attacke vor ihrem Amtssitz in der Downing Street ging die Regierungschefin in dieser Hinsicht gleich in die Offensive. Mit Blick auf den Wahlkampf präsentierte sie einen Vier-Punkte-Plan zur Bekämpfung des islamistischen Extremismus. Man müsse diese Ideologie nicht nur durch Terrorabwehr bekämpfen, sagte sie, sondern auch mögliche Gefährder rechtzeitig erkennen und sie von ihrem Denken abbringen. Es dürfe zweitens keinen "safe space", keine Rückzugsorte für den Extremismus im Internet geben. Der Cyberspace müsse reguliert werden. Auch müssen drittens die Rückzugsorte für Extremisten in der realen Welt bekämpft werden, ob das nun in Syrien oder in der westlichen Welt oder in Großbritannien selbst sei: Abgesonderte Gemeinschaften, von der übrigen Gesellschaft getrennte Glaubensgemeinden dürfe es nicht geben. Viertens schließlich sollen den Sicherheitskräften weitergehende Vollmachten gegeben werden, und man werde längere Haftstrafen für Terror-Delikte einführen. "Es ist Zeit zu sagen: Genug ist genug", erklärte May. "Wenn es darum geht, den Extremismus zu bekämpfen, müssen sich die Dinge ändern." Es ist ein Vier-Punkte-Plan, der schnell auf viel Kritik stieß, vor allem, weil die Details fehlten. Wie kann eine Regulierung von Online-Seiten wie Facebook oder YouTube durchgesetzt werden, wenn diese nicht der britischen Gerichtsbarkeit unterliegen? Wie soll die Ghettoisierung der britischen Gesellschaft in der Praxis vermieden oder rückgängig gemacht werden? Wie können längere Haftstrafen einen Terroristen abschrecken, der es darauf anlegt, bei seiner Tat ums Leben zu kommen? Weniger ein Plan, mehr eine Absichtserklärung war es, was Theresa May den Briten anbieten konnte. Für den Wahlkampf allerdings setzte ihre Ansprache das Thema Sicherheit wieder an die erste Stelle. Herausforderer und Labour-Chef Jeremy Corbyn reagierte mit einem Angriff auf May selbst, die ja als Innenministerin seit 2010 und Premierministerin seit einem Jahr verantwortlich für die nationale Sicherheit zeichnet. Corbyn verdammte die Sparpolitik der Regierung. "Man kann die Öffentlichkeit nicht auf die billige Tour beschützen", sagte er. "Polizei und Sicherheitsdienste müssen die Ressourcen bekommen, die sie brauchen, und nicht 20 000 Stellenstreichungen." Außerdem kritisierte Corbyn, dass May die Veröffentlichung eines überfälligen Reports über die Finanzierung von extremistischen Organisationen verhindern würde: "Wir müssen einige schwierige Konversationen beginnen mit Saudi Arabien und anderen Golfstaaten, die die extremistische Ideologie finanziert und angeheizt haben." Während sich Herausforderer und Regierungschefin gegenseitig kritisieren, müssen sich die Briten in den wenigen verbleibenden Tagen ihre eigene Meinung darüber bilden, wer von den beiden besser geeignet ist, für die nationale Sicherheit zu sorgen - und es sieht eher danach aus, dass der Amtsbonus von Theresa May den Ausschlag geben wird. Es ist zynisch, aber gleichwohl zutreffend zu sagen: Angesichts ihrer rapide sinkenden Umfragewerte in den Tagen vor der Terrorattacke war der Anschlag das Beste, was Mays Wahlkampf passieren konnte.

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