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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel von Claudia Bockholt zur Affäre um den Regensburger Oberbürgermeister Wolbergs

Regensburg (ots)

Es brodelt gewaltig in der Hauptstadt der Oberpfalz. Mit jedem Tag erhöht sich die Summe, die dem Regensburger Oberbürgermeister als Spenden für seinen Wahlkampf 2014 auf verschlungenen Wegen zugeflossen sein soll: Erst waren es 500 000, dann 650 000 und jetzt wird schon über 800 000 Euro spekuliert. Viel Geld für einen Kommunalwahlkampf, wenn man bedenkt, dass die FDP im Jahr 2013 einen ganzen Bundestagswahlkampf mit vier Millionen Euro bestritten hat. Joachim Wolbergs hat angekündigt, an der Aufklärung der Affäre nach Kräften mitzuwirken. Zugleich betont er, nicht auf der Anklagebank zu sitzen. Dort platzieren er und die örtliche SPD die Medien. Von Vorverurteilung ist die Rede, sogar von Hetzkampagnen. Diese Verteidigungsstrategie kennt man aus der griechischen Mythologie: Der Überbringer der schlechten Nachricht wird geköpft. Heute wird er wenigstens nur noch der billigen Sensationsmache bezichtigt, um ihn zu diskreditieren. Der Angeklagte verkehrt sich zum Ankläger. Das ist bekannt und nicht unbillig. Angriff ist eine beliebte Verteidigungsstrategie. Richtig ist, dass manche Kommentatoren mit ihrem Urteil schnell bei der Hand sind. In der Landeshauptstadt gibt man Wolbergs allenfalls zwei Wochen, die er sich noch "ins Rathaus schleppen" kann. Selbst in der Schweiz wird berichtet - und gerichtet. Aus der Distanz lässt es sich leichter ungnädig urteilen als vor Ort, wo Berichterstatter und Kommentatoren den Betroffenen anderntags wieder in die Augen sehen (müssen). Für eine Regionalzeitung verbietet sich das Prinzip der verbrannten Erde. Sie muss sorgfältig abwägen zwischen harten Fakten und bloßen Gerüchten. Andererseits: Die Gerüchte von heute können morgen schon Fakten sein. Also darf sie ihren Lesern auch das Spekulative nicht vorenthalten. Sonst kommt der Vorwurf, "die da oben" schonen zu wollen oder mit ihnen gar unter einer Decke zu stecken. Es ist ein schwieriges, auch leidiges Ding mit der stets geforderten Objektivität der Medien. Objektiv, das lehrt die Erfahrung, ist für die Menschen immer das, was für sie subjektiv richtig ist. Die Affäre Wolbergs ist keine Bagatelle. Es geht um mögliche Verstöße gegen das Parteiengesetz und um die Rechtschaffenheit eines bislang hochangesehenen Stadtoberhaupts. Es geht aber auch um das Image einer Großstadt. Ja, und ein bisschen auch um den Ruf der Oberpfalz. Dieser wird jedoch nicht durch die Berichterstattung beschmutzt, sondern durch jene, die glauben, Regeln trickreich umgehen zu können. Das bayerische Pressegesetz verpflichtet die Medien ausdrücklich dazu, "ungehindert Nachrichten und Informationen einzuholen, zu berichten und Kritik zu üben". Man nennt die Medien "Wachhunde der Demokratie", weil sie nicht nur durch möglichst umfassende Information, sondern auch durch das Aufdecken von Missständen zur Meinungs- und Urteilsbildung der Bürger beitragen sollen. Dass dies den Betroffenen nicht behagt, versteht sich von selbst. Wer ein herausgehobenes öffentliches Amt bekleidet, kann aber nicht immer nur Subordination und bewundernden Beifall erwarten. Er muss wissen, dass sein Handeln stets besonders kritisch beäugt wird und besonders strengen Maßstäben unterworfen ist. Es liegt nun einerseits an den ermittelnden Behörden, aber auch an Oberbürgermeister Wolbergs und seinen Genossen, den Korruptionsverdacht aus der Welt zu schaffen. Was Stück für Stück ans Tageslicht geholt wird, nährt den Verdacht mehr, als dass es ihn entkräftet. Bislang gibt es mehr Fragen als Antworten. Solange das so ist, werden Journalisten weiterbohren. Auch wenn es schmerzt.

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