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Aachener Nachrichten: Spinnen die Amerikaner? - Was wir in Europa aus dem US-Wahlkampf lernen können. Ein Kommentar von Joachim Zinsen

Aachen (ots)

Ja spinnen die denn, die Amerikaner? Wenige Tage vor der US-Präsidentenwahl liegt Donald Trump in allen Umfragen bei weit über 40 Prozent. Manche sehen ihn sogar schon kurz vor dem Weißen Haus. Der rüde, narzistische Egomane, der mit rassistischen und chauvinistischen Sprüchen um sich wirft, hat tatsächlich Chancen, zum mächtigsten Mann der Welt aufzusteigen. In Europa schütteln wir verschreckt die Köpfe und rätseln: Wie konnte es nur soweit kommen?

Zunächst: Auf ein allzu hohes Ross sollten wir uns nicht setzen. Auch in Europa reüssieren derzeit Sumpfblüten wie Marine Le Pen, Geert Wilders, Heinz-Christian Strache oder deren deutsche Kollegen von der AfD. Sie sind politisch nicht nur ähnlich gestrickt wie Trump. Ihr Erfolg hat auch ähnliche Gründe. Auch sie profitieren von einer tiefen Verunsicherung vieler Menschen und der offenbaren Unfähigkeit weiter Teile des etablierten politischen Betriebs, auf soziale (Abstiegs-)Ängste positive, vor allem aber glaubwürdige Antworten zu geben.

In den USA macht sich das exemplarisch an der Person Hillary Clinton fest. Natürlich ist sie im Vergleich zu Trump das bei weitem kleinere Übel. Aber der Glaube, dass sich die Demokratin im Zweifelsfall gegen die Interessen des großen Geldes stellt und sich für die Belange der einfachen Bürger einsetzt, ist gerade in der abgehängten weißen Unterschicht und in Teilen der Mittelschicht extrem schwach ausgeprägt. Wenn Clinton scheitern sollte, dann verdankt sie das diesem Manko.

Dabei hatten die Demokraten mit Bernie Sanders durchaus einen Präsidentschaftsbewerber, der in der Bevölkerung beliebter war als Clinton. Bis zum Ende seiner Kandidatur lag er in allen Umfragen deutlicher vor Trump als seine Konkurrentin. Der linke Sozialdemokrat war ein Mann, der nicht nur die Jugend begeisterte, sondern auch bei Wählern punkten konnte, die jetzt Trump und seinen kruden Botschaften hinterherlaufen. Sanders sprach soziale Probleme an, verkörperte einen neuen Aufbruch. Und zwar glaubhaft. Dass er letztlich bei den Vorwahlen auch an miesen Tricks des demokratischen Partei-Establishments scheiterte, das mit aller Macht Clinton zur Kandidatin küren wollte, droht sich nun zu rächen.

Doch hätte, hätte ... Fahrradkette! Clinton ist nun mal Kandidatin der Demokraten und man kann ihr nur die Daumen drücken, dass sie Trump verhindert. Allerdings sollten wir in Europa Lehren aus den Entwicklungen in den USA ziehen. Auch hier stehen wir nämlich vor der Frage: Gelingt es, die Ängste vieler Menschen - egal ob sie nun gerechtfertigt, überzogen oder eingebildet sind - durch ein emanzipatorisches, menschenfreundliches und auf soziale Gerechtigkeit basierendes politisches Projekt aufzufangen? Oder überlassen wir die wachsende Zahl wütender Bürger rechten, menschenfeindlichen und zu autoritären Vorstellungen neigenden Demagogen à la Trump?

Die Antwort hat vor allem die politische Linke zu geben. In Deutschland muss sie eine Alternative zum Schlafwagen-Kurs von Angela Merkel aufbauen, der immer öfter Überdruss erzeugt. Dass bei SPD, Linken und Grünen trotz des medialen Gegenwinds inzwischen verschärft über ein gemeinsames Dreierbündnis nachgedacht wird, ist ein Schritt in diese Richtung. Allerdings muss solch ein Bündnis nicht nur mit einem Programm unterlegt werden. Es braucht auch einen Kanzlerkandidaten, der das Projekt glaubhaft verkörpert - ähnlich wie Sanders. Gelingt das nicht, laufen wir Gefahr, dass es in Europa und auch in Deutschland bald vergleichbare Alarmschreie gibt, wie heute aus den USA: Trump ante portas!

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