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Hertie School

Höhe der Ausgaben nicht allein entscheidend für Qualität der Infrastruktur
Spannungsverhältnis zwischen politischen Prioritäten und nachhaltiger Planung als größte Herausforderung

Paris (ots)

Ein hohes Investitionsvolumen stellt keine Garantie für eine hochwertige Infrastruktur dar. Entscheidend sind vielmehr Steuerungsleistungen wie die langfristige Festlegung von Prioritäten, deren regelmäßige Kontrolle, sowie die Koordinierung der beteiligten Akteure. Gemessen an der Höhe ihrer Ausgaben könnten viele Länder mehr erreichen, wenn sie die notwendigen Governance-Instrumente einsetzen würden.

Dies sind Ergebnisse des Governance Reports 2016, der im Rahmen eines gemeinsamen Projekts von der Hertie School of Governance und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erarbeitet wurden. Die bei Oxford University Press erschienene Studie wird heute (10. Mai) am Hauptsitz der OECD in Paris mit einer Rede der stellvertretenden OECD-Generalsekretärin Mari Kiviniemi vorgestellt.

Auf der Grundlage einer Umfrage unter Experten aus Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft in 36 Ländern innerhalb und außerhalb der OECD bewerten die Wissenschaftler im Governance Report die Leistungen der einzelnen Länder bei der Planung, Steuerung und Umsetzung von Infrastrukturprojekten. Neben den Umfragedaten flossen Wirtschaftsdaten und Faktoren wie Wettbewerbsfähigkeit, Innovation und Korruption in den Ländervergleich ein.

"Wie die Indikatoren zeigen, sind die Fähigkeiten, mit den vorhandenen Ressourcen positive Ergebnisse zu erzielen, von Land zu Land höchst unterschiedlich", sagt Helmut Anheier, Präsident der Hertie School of Governance und Mitautor der Studie.

Experten sehen Deutschland im oberen Mittelfeld

Als größte Schwachstellen in Deutschland benennen die befragten Experten übermäßig bürokratische Verfahren und rechtliche Hürden sowie das Fehlen eines umfassenden Planungsprozesses, falsche Risikoverteilung in Verträgen, zu viele Kontaktpersonen während der Durchführung von Projekten und die fehlende Kontrolle durch unabhängige Aufsichtsgremien. Trotz dieser Mängel beurteilen die Experten die Ergebnisse deutscher Infrastrukturpolitik vergleichsweise positiv. Grund hierfür ist nach Einschätzung der Wissenschaftler vor allem die hohe Qualität der bereits vorhandenen Infrastruktur.

Im Vergleich mit Nachbarländern schneidet Deutschland nicht ganz so gut ab. So beurteilen die befragten Experten in Frankreich und den Niederlanden sowohl Planungs- und Steuerungsleistungen als auch die Ergebnisse von Infrastrukturvorhaben in ihren Ländern insgesamt positiver. Italien hingegen wird in allen drei Bereichen schlecht beurteilt. Die Experten bescheinigen dem Land unter anderem Mängel bei der nachhaltigen Planung, der Verteilung von Verantwortlichkeiten und der Koordination zwischen zentralen und regionalen Akteuren. Im Infrastruktur-Governance-Index, der Planung-, Steuerungs- und Umsetzungsleistungen vergleicht, belegt Deutschland den elften Rang, Frankreich liegt an fünfter und die Niederlande an zweiter Stelle; Italien kommt unter den 36 Ländern des Indexes auf Platz 29. Den Spitzenplatz belegt die Schweiz.

Das für den Governance Report 2016 ausgewertete umfangreiche Datenmaterial zeigt klar, dass die Qualität von Brücken, Straßen oder Elektrizitätsnetzen und die damit erzielte Produktivitätssteigerung nicht allein eine Frage des Geldes ist. "Erhöhte Investitionen führen nicht notwendigerweise zu besserer Qualität bei der Infrastruktur", sagt Matthias Haber von der Hertie School of Governance. Die Verantwortlichen sollten daher ihr Augenmerk auf Defizite bei Planung und Steuerung legen. Denn schon heute sei Infrastruktur die viertgrößte Position in den Haushalten der OECD-Länder, zwischen 3 und 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts fließt in diesen Bereich.

Rolf Alter, Direktor Public Governance and Territorial Development, OEDC: "Es gibt eine Reihe von Governance-Instrumenten, die Länder mit unterschiedlichen politischen und administrativen Systemen im Infrastrukturbereich einsetzen könnten. Dazu gehören insbesondere unabhängige Agenturen oder Gremien, die eine Koordinierungsfunktion zwischen den Akteuren einnehmen. Außerdem sollten systematisch Daten erhoben und analysiert werden, um aus früheren Fehlern zu lernen."

Je komplexer Aufbau und Erhaltung von Infrastruktur werden, umso mehr komme es auf das Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure des öffentlichen und privaten Sektors und der Zivilgesellschaft an sowie auf die Koordination zwischen den verschiedenen Regierungs- und Verwaltungsebenen. Erfolgreiche Infrastrukturvorhaben müssen nicht nur umfassend geplant werden, erforderlich seien auch eine flexible und transparente Steuerung sowie Risikomanagement über die gesamte Projektdauer.

Nationale Strategiepläne in der Realität oft nicht relevant

Über die größte Hürde für konsistente Infrastrukturmaßnahmen sind sich die für die Studie befragten Experten länderübergreifend einig: "Das Spannungsverhältnis zwischen politischen Konjunkturzyklen und den Erfordernissen einer nachhaltigen Infrastrukturplanung wurde in den Ländern innerhalb wie außerhalb der OECD als größte Herausforderung gesehen", resümieren die Autoren der Befragung Gerhard Hammerschmid und Kai Wegrich.

In den meisten Ländern existieren zwar nationale Strategiepläne, um die Priorisierung von Infrastrukturbedürfnissen zumindest in einigen Bereichen zu gewährleisten, die Koordination zwischen den Akteuren zu steuern und Transparenz und rationale Entscheidungsfindung zu fördern. Doch die Politik steht dem oft im Wege: Nur 18 Prozent der befragten Experten stufen solche Pläne als sehr relevant ein. 26,8 Prozent sehen nationale Strategiepläne in ihren jeweiligen Ländern als überhaupt nicht oder eher nicht relevant an, so Wegrich und Hammerschmid. Länder, in denen man den Plänen hohe Bedeutung beimisst, schneiden regelmäßig auch im Index besser ab, wie etwa die Niederlande und die Schweiz.

Über den Governance Report

The Governance Report 2016 ist bei Oxford University Press erschienen. Unter www.governancereport.org finden Sie weiteres Material, darunter interaktive Webanwendungen der Governance-Indikatoren.

Die jährlich von der Hertie School of Governance herausgegebene Publikation beleuchtet jeweils Governance-Herausforderungen in einem Schwerpunktbereich, stellt innovative Entwicklungen vor und bietet Analysen auf Basis neu entwickelter Indikatoren. Der Governance Report berücksichtigt dabei besonders die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Staaten sowie zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Mit anwendungsbezogenen Analysen und konkreten Empfehlungen an die Politik will das Wissenschaftlerteam aktuelle Governance-Probleme erklären und zu deren Lösung beitragen.

In Berlin wird der Governance Report am 7 Juni 2016 vorgestellt. Nähere Informationen zu der Veranstaltung folgen in Kürze.

Die Hertie School of Governance ist eine staatlich anerkannte, private Hochschule mit Sitz in Berlin. Ihr Ziel ist es, herausragend qualifizierte junge Menschen auf Führungsaufgaben im öffentlichen Bereich, in der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft vorzubereiten Mit interdisziplinärer Forschung will die Hertie School zudem die Diskussion über moderne Staatlichkeit voranbringen und den Austausch zwischen den Sektoren anregen. Die Hochschule wurde Ende 2003 von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung gegründet und wird seither maßgeblich von ihr getragen.

Pressekontakt:

Regine Kreitz, Head of Communications, Tel.: 030 / 259 219 113,
Fax: 030 / 259 219 444, E-Mail: pressoffice@hertie-school.org.
Hertie School of Governance, Friedrichstraße 180, 10117 Berlin

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