Alle Storys
Folgen
Keine Story von taz - die tageszeitung mehr verpassen.

taz - die tageszeitung

Im Einzelfall entscheiden/ taz-Kommentar von Simone Schmollack zum Verbot von Kinderehen

Berlin (ots)

Sind sogenannte Kinderehen eine Form von Kindesmissbrauch? Ja. So sehen das jedenfalls viele Menschen. Und es stimmt ja auch: Bei Paaren, bei denen ein Partner - fast immer ist es die Frau - unter 16 Jahren und der Mann viel älter ist, kann man selten von einer gleichberechtigten Partnerschaft sprechen. Solche Ehen sind in Deutschland zu Recht verboten. Aber was ist mit jenen Minderjährigen, die aus Syrien oder Afghanistan nach Deutschland kommen und bereits verheiratet sind? Sollte deren Ehe zum Schutz des Kindeswohls annuliert werden, so wie das Unions-Abgeordnete fordern? Kinder gehören in die Schule und nicht in die Ehe, begründen die PolitikerInnen. Das wird sicher niemand bestreiten. Trotzdem greift das Argument zu kurz.

Manche Mädchen bekommen das Recht, zur Schule zu gehen, erst nach einer Flucht aus einem Kriegsgebiet. Weil in ihrer Heimat Schulen zerstört sind oder religiös begründete Vorschriften den Zugang zu Bildung für Mädchen verhindern. Allein oder ohne männliche Begleitung können Mädchen und Frauen aus Krisenregionen aber kaum fliehen. Sei es, weil das ihrem Geschlechterbild widerspricht oder sie unterwegs Gefahren ausgesetzt sind: Vergewaltigung, Überfälle, Zwangsprostitution. Ein Ehemann, der sie auf der Flucht begleitet, bietet Schutz. Minderjährige Schwangere und minderjährige Mütter haben auch nach der Flucht als Verheiratete einen sichereren Status als Unverheiratete.

Was spricht denn gegen eine Einzelfallprüfung in Deutschland? Sicher, das ist angesichts der rund 1.400 im Ausländerregister registrierten verheirateten Teenager kein geringer bürokratischer Aufwand. Aber der genaue Blick hilft gegen Pauschalurteile. Er kann zwischen Früh- und Teenagerehen unterscheiden, das Kindeswohl individuell beurteilen und filtert Zwangsehen heraus, die ohnehin verboten sind. Und er verhindert eine weitere Verschärfung der Lebensumstände mancher Minderjähriger.

Pressekontakt:

taz - die tageszeitung
taz Redaktion
Telefon: 030 259 02-255, -251, -250

Original-Content von: taz - die tageszeitung, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: taz - die tageszeitung
Weitere Storys: taz - die tageszeitung
  • 01.11.2016 – 17:30

    taz-Kommentar von Felix Lee über Sigmar Gabriels Kritik an Peking: China braucht Härte

    Berlin (ots) - Über Sigmar Gabriels diplomatisches Geschick lässt sich streiten. Es ist nachvollziehbar, dass die chinesische Regierung verärgert ist, wenn der deutsche Wirtschaftsminister nun Übernahmegenehmigungen infrage stellt, die eigentlich in trockenen Tüchern waren. Doch in der Substanz hat Gabriel völlig recht: Wer China in dieser Phase zu nachgiebig ...

  • 31.10.2016 – 18:30

    taz-Kommentar von Georg Löwisch über die Festnahmen in der Cumhuriyet-Redaktion

    Berlin (ots) - Wir kommen in Deutschland gerne mal auf die Pressefreiheit zu sprechen. Auf Symposien und in Leitartikeln wird über sie nachgedacht. Ob sie nicht tangiert wird, wenn Behörden mauern. Ob sie gefährdet ist, wenn immer weniger Rechercheure immer mehr PR-Leuten gegenüberstehen. Ob sie nicht wackelt, die Pressefreiheit, wenn ein Teil des Publikums den ...

  • 31.10.2016 – 16:36

    taz-Kommentar zum Dauerstreit zwischen CDU und CSU

    Berlin (ots) - taz-Kommentar von Ulrich Schulte zum Dauerstreit zwischen CDU und CSU Im Abklingbecken Man wolle keine Gemeinsamkeit inszenieren, kommentiert CSU-Chef Seehofer Angela Merkels Entschluss, dem CSU-Parteitag fernzubleiben. Hinter der Entscheidung steckt aber keineswegs eine plötzlich entdeckte Abneigung gegen Inszenierungen, sondern die Furcht vor einem Debakel. Was, wenn die erboste CSU-Basis die Kanzlerin ...