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Börsen-Zeitung: Vertrieb contra Kunde, Kommentar von Christina Rathmann zur gegenwärtigen Situation der Fondsbranche

Frankfurt (ots)

Fondsgesellschaften handeln „ausschließlich im
Interesse der Anteilinhaber“. So ist es ihnen im Gesetz
vorgeschrieben, und so hat es sich die Branche in ihren
Wohlverhaltensregeln selbst auf die Fahnen geschrieben. Was einige
Anbieter derzeit planen, sieht allerdings überhaupt nicht nach diesem
hehren Grundsatz aus. Im Kampf um Marktanteile im schrumpfenden
Neugeschäft, so scheint es, ist ihnen jedes Mittel recht. Die
Fondsanbieter müssen aufpassen, dass sie nicht schon bald
„ausschließlich im Interesse der Vertriebspartner“ handeln – gegen
die Interessen der Kunden. Mit 8 Mrd. Euro netto haben die
Publikumsfonds bis Ende Oktober weniger als halb so viel Geld
eingesammelt wie im Vorjahr. Gleichzeitig arbeiten die
Vertriebsmaschinen der Versicherer sowie die freien Makler unter
Volldampf: Im dritten Quartal hat sich die Zahl der neu
abgeschlossenen Lebensversicherungen stark erhöht, im vierten Quartal
hat sie sich mehr als verdoppelt – von dieser Absatz- Power hätten
die Fondsanbieter gern etwas ab.
Doch dafür müssen sie teuer zahlen. Verkauft ein
Versicherungsvertreter oder Makler eine Lebensversicherungspolice, so
erhält er in den ersten zwei Jahren hohe Provisionen. Verkauft er
einen Fondssparplan, erhält er viel weniger; erst über längere Zeit
summieren sich bei ihm die gleichmäßigen Ausgabeaufschläge in
ähnlicher Höhe. Nun wollen die Fondshäuser es ebenso machen wie die
Versicherer, um dem Vermittler mehr Anreiz zu geben, Fonds zu
verkaufen. „Vorprovisionierung“ heißt das bei der DWS, „Up-front-
Vergütung“ beim Dit.
Mit solchen Modellen aber würden sich die Fondsgesellschaften
selbst der größten Vorteile berauben, die sie im Wettbewerb mit der
Assekuranz haben: Wo bliebe die Flexibilität, je nach Marktlage
zwischen verschiedenen Produkten umzuschichten, wenn über zwei oder
drei Jahre die gesamten Zahlungen in die Taschen des Vermittlers
gehen und der Anleger nichts zum Umschichten hat? Was ist mit dem
Zinseszinseffekt, wenn sich in den ersten Jahren der Anlage kein
Kapital und Zins bilden? Wer könnte noch vom Cost-Average-Effekt der
gleichmäßigen Einzahlung sprechen, mit dem die Fondsanbieter bisher
um die Anleger werben? Was ist mit der täglichen Verfügbarkeit des
Gesparten, wenn eine lange Laufzeit fest vereinbart wird?
Bisher hat die Branche an vorderster Front zu hohe Steuern als
Wegelagerei kritisiert, durch die Anleger daran gehindert werden,
selbständig zu sparen. Die kursierenden Provisionspläne würden das
Gleiche bewirken. Vertriebseinheiten dauerhaft zu binden mag aus
Sicht der Anbieter wünschenswert sein. Es ist aber gefährlich, wenn
ihnen der Vertrieb näher ist als die Kunden.
(Börsen-Zeitung, 26.11.2004)
ots-Originaltext: Börsen-Zeitung

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