Alle Storys
Folgen
Keine Story von Börsen-Zeitung mehr verpassen.

Börsen-Zeitung

Börsen-Zeitung: Zinspause in den USA, Marktkommentar von Kai Johannsen

Frankfurt (ots)

Händler, Kapitalmarktanalysten und Volkswirte, die die US-Notenbank Fed von Berufs wegen beobachten, befinden sich dieser Tage wie andere Berufsgruppen auch in ihrem jährlichen Sommerurlaub, oder in den Häusern steht gerade in diesen Tagen der Wechsel an: Die einen kehren zurück, die anderen machen sich auf den Weg zum Entspannen. Fed-Chefin Janet Yellen, vielleicht gerade selbst vor ein paar freien Tagen, hat ihnen allen auch keinen Strich durch die "Urlaubsrechnung" gemacht, indem sie etwa die Märkte "verbal" durcheinandergerüttelt hätte. Auf der jüngsten Sitzung stellte sie den Märkten relativ unmissverständlich eine Zinspause in Aussicht und festigte damit ihre im Juli vor dem Kongress gemachten Aussagen, die an den Märkten dahingehend interpretiert wurden, dass die US-Währungshüter das Tempo aus der Geldpolitik herausnehmen. Tempo raus und nun Pause machen, das ist der aktuelle Stand.

Die meisten sind sich denn auch darin einig, dass die jüngste Fed-Sitzung in der gerade abgelaufenen Woche eher in Richtung "non-event" zu qualifizieren ist, da es ja nichts Spektakuläres zu vermelden gab. "Die Sitzung des Federal Open Market Committee (FOMC) der Federal Reserve endete erwartungsgemäß ohne wirkliche Überraschungen, da sowohl die Leitzinsen als auch die Bilanz unverändert blieben", heißt es etwa bei den Strategen von State Street. Aufgrund der nach wie vor geringen Inflation rechnen die Experten bei State Street weiterhin damit, dass die Bilanzverkürzung erst auf der Sitzung im September eingeläutet wird. Auch eine Leitzinserhöhung im Dezember liege nach wie vor im Bereich des Möglichen. "Um die gegenwärtigen Leitzinsprognosen der FOMC-Mitglieder für 2018 zu rechtfertigen, bedarf es jedoch eines deutlicheren Inflationsanstiegs", so State Street weiter. Der Punkt Inflation bzw. Entwicklung der Teuerung ist ein sehr zentraler Aspekt in dem weiteren Leitzinspfad der Fed, der noch viel gemächlicher ausfallen könnte, als das heute so mancher auf dem Plan hat.

Mit diesem Aspekt setzen sich auch die Volkswirte und Marktstrategen der Deutschen Bank auseinander. Sie machen im jüngsten Statement der Fed zwei "kleinere Überraschungen" aus, wie Jim Read, der bekannte, in London basierte Marktstratege des Institutes, es nennt. Die erste kleinere Überraschung betrifft die Bilanzverkürzung. Im Juni hatte die Fed noch davon gesprochen, dass das Normalisierungsprogramm für die Bilanz, auf der sich ein Anleiheposten von stattlichen 4,5 Bill. Dollar befindet, in diesem Jahr beginnen sollte. Nun spricht die Fed davon, dass das Programm "relativ bald" beginnen soll. Viele Marktakteure interpretieren das dahingehend, dass auf der Septembersitzung der Fed weitere Einzelheiten beschlossen und kommuniziert werden. Bei der Deutschen Bank geht man eher davon aus, dass die Fed, die ja für vorsichtiges Taktieren bekannt ist, erst im Oktober entsprechende Beschlüsse fassen und mitteilen wird. Schließlich ist die "Oktobersitzung" auf den 31. Oktober und 1. November terminiert. Die Fed würde sich Luft verschaffen, um noch sämtliche Konjunkturdaten des dritten Quartals und viele Makrodaten des Oktober in das Kalkül einbeziehen zu können.

Noch einen Gang herunter?

Die zweite Überraschung ist für die Deutsche Bank eine weitere feine sprachliche Änderung im Statement. Mit Blick auf das 2-Prozent-Ziel der Fed bei der Inflation hieß es bislang: Die Inflation (in der Kernrate) würde "somewhat" unter 2% liegen, also "etwas" oder "ein wenig" unter dem Zielwert. Das "somewhat" wurde nun im Statement zur Juli-Zinssitzung gestrichen. Vor diesem Hintergrund ist zu urteilen, dass die Fed wohl einige Inflationssorgen hat, liegt die Inflation doch nun etwas weiter vom Zielwert entfernt als nur "ein bisschen". Das könnte dafür sorgen, dass die Fed noch einen Gang herunterschaltet, insbesondere, wenn die Inflation - in der Kernrate ohne Energie- und Lebensmittelpreise - weiterhin nicht anspringt. Bislang rechnet die Deutsche Bank noch mit einem weiteren Zinsschritt in diesem Jahr, und zwar im Dezember (Termin 12./13.12.).

Die Marktteilnehmer sind gut beraten, in den kommenden Wochen und Monaten die US-Inflationsdaten genau im Auge zu behalten und ihnen ein höheres Gewicht hinsichtlich der Zinsanpassungen nach oben beizumessen als etwa den Arbeitsmarktdaten. Denn am US-Arbeitsmarkt herrscht angesichts einer Arbeitslosenquote von zuletzt 4,4% Vollbeschäftigungsniveau. Sollten die Inflationsdaten enttäuschen, sollte man sich in Erinnerung rufen, wie vorsichtig die Fed wurde, als die Arbeitsmarktdaten enttäuschten. Die Fed wurde infolgedessen immer zurückhaltender. Das könnte sich nun durch schwache Inflationsdaten wiederholen.

Pressekontakt:

Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de

Original-Content von: Börsen-Zeitung, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Börsen-Zeitung
Weitere Storys: Börsen-Zeitung
  • 27.07.2017 – 20:55

    Börsen-Zeitung: Flaute in den Doppeltürmen, Kommentar zur Deutschen Bank von Bernd Neubacher

    Frankfurt (ots) - Das Quartalsergebnis der Deutschen Bank hat manchem Anleger das Herz in die Hose rutschen lassen. Das hat seinen Grund: Die gute Nachricht, dass die Kostensenkungen der Bank unerwartet flott vorankommen, kann die schlechte Nachricht von einem Ertragsrückgang, der chronisch zu werden droht, kaum aufwiegen. Schwächen in der Kostendisziplin lassen sich ...

  • 26.07.2017 – 20:50

    Börsen-Zeitung: Atmosphärische Störungen, Kommentar zu Daimler von Isabel Gomez

    Frankfurt (ots) - In der Regel ist der Kuschelfaktor im Verhältnis zwischen Automobilherstellern und ihrer Lobby, dem Verband der Automobilindustrie VDA, groß. In Berlin erhält die Branche vom VDA Rückendeckung, selbst im Abgasskandal und der folgenden Dieseldiskussion zog VDA-Präsident Matthias Wissmann seine schützende Hand über der Branche nie ganz zurück. ...

  • 25.07.2017 – 20:50

    Börsen-Zeitung: Jubel sieht anders aus, Kommentar zu Griechenland von Kai Johannsen

    Frankfurt (ots) - Es hat wahrscheinlich kaum jemand ernsthaft damit gerechnet, dass die Griechen bei ihrer Rückkehr an den Anleiheprimärmarkt von den Schlange stehenden Investoren jubelnd empfangen werden und dass der Deal damit praktisch ein Selbstläufer wird. Ebenso wenig rechnete man am Markt aber auch damit, dass sich der Bond-Deal als Flop entpuppen würde. Und ...